"Grande, grande!" (von Benni Emonts)
Beim Sommerfest der Freizeitwölfe mischt sogar die Mafia mit
Manche Fußballspiele gehen in die Geschichte ein. Man denke nur an die Hand Gottes von Maradona, oder an das lächerliche Golden-Goal von Oliver Bierhoff, oder an den verschossenen Elfmeter von Schweini im Finale Dahoam. Aaaaaber: Das alles ist nichts im Vergleich zum Classico zwischen den Freizeitwölfen aus Schwabhausen und dem SV Überacker an diesem Abend. Wirklich selten hat ein Spiel so viele Geschichten geschrieben. Ein Drama in neun Akten:
Der Ausfall
Der Morgen vor dem Spiel gegen Überacker beginnt mit einer schlechten Nachricht im Postfach der Wölfe: Ihr Rudelführer Sepp Pfeil, der den Spielbetrieb auch dieses Jahr leidenschaftlich und akribisch organisiert, muss wegen einer Corona-Infektion leider passen. „Schweren Herzens muss ich leider absagen“, schreibt er in die Chat-Gruppe. „Corona lässt meine Frau und mich noch nicht los.“ Auf und neben dem Platz ist dies freilich ein herber Verlust für die Mannschaft. Immerhin geht es Sepp gut, er verfolgt rege den Live-Ticker und schaltet sich später per Videocall zu. Und etwas Gutes hat sein Ausfall schließlich doch: Die drei Schaschlik-Schüsseln und acht Halben, die unser Sepp sonst verdrückt hätte, werden so auf die anderen Freizeitwölfe verteilt. So läuft das eben in guten Familien.
Die Mannschaft
Die neidvollen Blicke kennen die Freizeitwölfe inzwischen: Nirgendwo sonst im Landkreis kann sich eine AH-Mannschaft auf einen so breiten und talentierten Kader verlassen. Zum obligatorischen Sommerfest in diesem Jahr stehen Tiki-Taka-Trainer Christian Fintina wieder sage und schreibe 22 Mann zur Verfügung, allesamt gute Kicker, darunter so schräge Namen wie Bolz, Nitz, Fantik, Greve und Gley. Coach Fintina fällt die Entscheidung, pro Halbzeit jeweils eine komplett neue Elf auf den Platz zu schicken. „Sonst kommt man durcheinander. Da gibt es oft Schiefgang“, sagt er. Die Ansprache vor Anpfiff gerät so zum Gedächtnistraining. Manche Spieler müssen sich eine Stunde lang merken, auf welcher Position sie spielen sollen. Die Konfusion ist anfangs groß.
Der Abgang
Die bedauerlichste Geschichte des Tages schreibt ein Ehrenbürger namens Harry Schepp. Mit grau melierter Mähne und im Schiedsrichter-Dress schreitet er im Stile eines italienischen Mafia-Paten an den Mittelkreis und pfeift zum Anstoß. Über Jahrzehnte war Harry ein verlässlicher und guter Schiedsrichter für die Wölfe. Nun aber sagt er folgende, historische Sätze: „Ich hab Kreuzweh bis zum Abwinken, ich hab keinen Bock mehr. Mit 60 Jahren ist einfach Schluss. Das war mein tausendstes Spiel.“ Der Schock sitzt natürlich tief. Bei einer Halben Bier nach dem Speil relativiert Schepp allerdings: „So wenig laufen wie heute musste ich noch nie. Vielleicht will ich mit 70 doch noch ein paar Spiele pfeifen.“ Vielen Dank, lieber Harry! Wir werden Dich daran erinnern!
Die Rückkehrer
Wie sehr man Menschen vermisst, merkt man meistens erst, wenn man sie endlich wiedersieht. So ist es zum Beispiel mit Lars. Eine halbe Stunde vor Anpfiff lehnt er lässig an der Mauer vor dem Kabinengang und kassiert den Obulus für das Sommerfest. Wie viel Halbe er heute trinken will? „Ich bin nur hier zum Kassieren“, sagt er und grinst. Gegen 23 Uhr öffnet Lars sein „drölftes Bier“ (er wusste also genau, wieviele er schon getrunken hat). Und er verspricht: „Nach der Sommerpause greif ick wieder an.“ Noch so ein Kandidat: Martin Pelzer alias Pelle. Mit seinem unverkennbaren Experten-Blick steht der Franke zumindest 80 Minuten an der Bande und „fränkelt“ durchgehend irgendwas. An der Turnhallen-Baustelle dahinter läuft derweil Bob Marley. Auch Pelle kündigt sein baldiges Comeback nach einer Knöchel-Verletzung an. Er zapft sich gegen 23.30 Uhr noch ein frisches Helles. Die Welt ist wieder heil! Und schließlich erweist uns auch der Ballvirtuose Manfred "Hüften-Mane" Göttler wieder einmal die Ehre in einem echten Punktspiel. Nach einer erfolgreichen Hüftoperation zieht er im Mittelfeld im Stile eines Fußball-Rentners gekonnt die Fäden. Einziger Schreckmoment: Nach einem Pressschlag befürchten seine Mitspieler, dass Mane sich alle Knochen gebrochen hat und sein künstliches Hüftgelenk gleich durch die Luft wirbelt. Aber nichts da. Mane behält die Oberhand und treibt den Ball in Richtung Sechzehner. Ein super Comeback! Und die Freizeitwölfe atmen auf!
Der Gegner
Die Freizeitwölfe und die Mannschaft aus Überacker verbindet seit jeher so etwas wie eine liebevoll gepflegte sportliche Rivalität: Man kann nicht mit-, aber auch nicht ohneeinander. In dieser Gefühlslage entstehen meist hochklassig umkämpfte Duelle. In Zeiten, in denen Gegner immer knapper werden, sind die Recken aus dem Kohlerevier Überacker eine echte Konstante. Schade allerdings: Ihr historischer Mannschaftswagen, ein ehemaliger DDR-Bus, musste inzwischen verkauft werden. Er habe zu viel Arbeit gemacht und zu viel gekostet, berichten die Spieler. Ein Jammer! Wir werden den Bus vermissen!
Der Debütant
Für Aufsehen sorgt das lange erwartete Debut des neuen Mittelfeldmotors Billy Scheufler, der die Rekord-Ablösesumme von vier Trageln Bier kostete – zu zahlen freilich von ihm selbst. Der gebürtige Berliner, der mit seiner Familie nach Rumeltshausen gezogen ist, ist auf dem Platz jeden Schluck wert. Seine schleichend-elegante Spielweise erinnert an den alten Bernd Schuster, sein Nachname an eine fränkische Fleischspezialität („Scheufele“). Rätsel gibt es allerdings um seine berufliche Herkunft. Da Billy für die Werksmannschaft von Generali kickt, halten ihn manche Wölfe für einen Versicherungstandler. Die Wahrheit ist aber: „Scheufele“ arbeitet als Geschäftsführer bei Check 24 im Bereich Energie. Wer also Beschwerden zu seiner Gasrechnung hat oder den Anbieter wechseln will, wende sich bitte an ihn! Für die Wölfe ist der sympathische Mittelfeld-Stratege eine echte Verstärkung!
Das Wembley-Tor
Natürlich musste es so kommen: Ausgerechnet in seinem (angeblich!) letzten Spiel unterläuft Schiedsrichter Schepp ein Fehler von historischer Tragweite. Sogar Erinnerungen an das Finale von Wembley werden wach. Als Thorsten Diemer einen fulminanten Weitschuss abfeuert, prallt der Ball von der Latte klar hinter die Torlinie. Schiri Schepp, ganz der Mafiosi, lässt dennoch weiterspielen. Video-Referee Marcel hat an der Seitenlinie glücklicherweise per Handy alles aufgenommen, der Ball ist drin!, er funkt direkt zum Schiri und stellt das Tor zum Beweis in die Chat-Gruppe der Wölfe. Nur Harry will leider nicht hören. Später wird er behaupten, der Funkkontakt zum Videokeller sei abgebrochen. Pikant an der Sache: Laut neuesten Meldungen nimmt Schepp nach seiner Schiri-Karriere einen Job in der Fifa-Zentrale in Zürich an. Er soll dort zum Berater von Gianni Infantino ernannt werden.
Das Spiel
Das Spiel selbst ist ob der vielen Geschichten nur Rahmenprogramm. Nach anfänglichen Schwierigkeiten übernehmen die Freizeitwölfe die Kontrolle und gehen durch einen formidablen Heber von Robert Gley in Führung. Danach fällt ein Tor nach dem Anderen. Billy „Idol“ Scheufler verwandelt einen Elfmeter und muss erneut einen Kasten zahlen, sein fünfter innerhalb weniger Wochen, nachdem er bereits sein gesamtes Sportzeug in der Kabine vergaß. (Über die Gründe wird im Mannschaftskreis immer noch gemunkelt. Ein Verdacht: Er dachte, wir seien Profis und bekämen alle Klamotten gewaschen). Eine starke Leistung zeigt außerdem Denji Meerkamp. Einige Zuschauer verwechseln ihn völlig zurecht mit dem holländischen Stürmer Dennis Bergkamp. Am Ende steht ein verdientes 6:1 für die Freizeitwölfe. Denji streift sich zufrieden seinen Handschuh von der linken Hand.
Die Feier
Das Sommerfest verläuft so friedlich wie ein Aufenthalt auf dem Ponyhof; selbst Mafia-Boss Harry Schepp kann daran nichts ändern. Dank einiger Spenden stehen 16 Kasten Bier, 70 Portionen Schaschlik und viele leckere Spielerfrauen-Salate auf dem Menü. Unser Mannschaftskoch Helmut hat wieder ganze Arbeit geleistet! Unser Edi Salvamoser dippt genussvoll eine Scheibe Brot in das Schaschlik und wird sich am Ende überfressen („Ich liebe eintunken.“). Unser Bierbeauftragter Basti Nitz, der seit Wochen einen glänzenden Job macht, bekommt ein Happy Birthday gesungen, weil er 41 Jahre alt geworden ist. Alles Gute, lieber Basti! Und sonst so? Bei Armetshofen steht jetzt ein Marihuana-Feld. Uli Bscheid hat tatsächlich ein Fahrrad von Zündapp! Michi Münch möchte keine Frauen mehr abschießen. Die Gesprächsthemen gehen nicht aus. So endet ein weiterer, historischer Abend der Freizeitwölfe. Die nächsten werden kommen!
Statistik des Spiels:
1:0 Robert Gley nach Vorlage Sebastian Bolz (15. Min)
2:0 Denji Meerkamp nach eigener Balleroberung (35. Min)
2:1 (37. Min)
3:1 Benni Emonts nach Vorlage Denji Meerkamp (40. Min)
4:1 Benni Emonts nach Vorlage Hannes Ostermair (50. Min)
Lattentreffer SV RW Überacker (60. Min)
5:1 Elfer von Billy Scheufler nach Foul an Benni (66. Min)
6:1 Benni Emonts nach Vorlage Billy Scheufler (75. Min)
TSV Schwabhausen 1929 e.V. (Fußball), 85247 Schwabhausen